Heute vor 32 Jahren wurde aus einem geteilten Deutschland wieder ein Land. Doch 40 Jahre der Trennung haben auch eine Teilung in den Köpfen hinterlassen.
Die Politik unternimmt bestenfalls halbherzige Versuche diese Trennlinie zu überwinden und aus dem Land auch wirklich eine Einheit zu formen. Tatsache ist, dass sie viel zur Spaltung beiträgt. Das Narrativ vom „Osten“, der als Sammelbecken für Rechtsextremisten gilt, hält sich dabei hartnäckig.
Sicher lässt sich festhalten, dass die Menschen dort misstrauischer sind, vor allem der Politik gegenüber – eine Lektion, die 40 Jahre DDR die Menschen dort gelehrt hat. Dazu gehört auch ein gesundes Misstrauen den Leitmedien gegenüber, die jahrzehntelang eher der verlängerte Arm der Politik waren.
Doch in einer Zeit, in der der Staat einen nahezu absolutistischen Anspruch auf den Gehorsam einfordert, passt diese rebellische Haltung kaum noch ins Konzept. Dabei ist sie kein Privileg des Ostens und der Riss durch Deutschland verläuft längst nicht mehr auf einer geografischen Linie. Die offensichtliche Spaltung kann jeder in seinem Alltag beobachten, wenn er hinsehen möchte.
Ein Grund dafür dürfte die Art der Politik sein, die uns seit Jahren in bester Kindergärtnermanier erklärt, wie die Welt funktioniert und wie wir sie zu verstehen haben. Eine eigene Meinung ist da eher hinderlich. Um die Spaltung zu perfektionieren, erfindet man in jeder Krise einen neuen Kampfbegriff für anders Denkende. Was einst der Ossi und der Wessi waren, das wurden Rechte und Linke und später die Solidarischen und die Querdenker, um eine der höflicheren Bezeichnungen zu verwenden.
Es folgte die Spaltung in Geimpfte und Ungeimpfte und zum ersten Mal hat die Politik hier eine rote Linie überschritten. Bedenkt man die deutsche Geschichte, hätte dies wohl kaum jemand für möglich gehalten. So wurde Ungeimpften der Zugang zu bestimmten Freizeitaktivitäten vorenthalten und sie damit zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Obwohl die pandemische Lage von nationaler Tragweite inzwischen beendet wurde, droht in diesem Winter wieder eine ähnliche Zweiklassengesellschaft.
Doch Corona war nur der Testlauf, um zu sehen, wie weit man wohl gehen kann. Der Ukraine-Russland-Konflikt hat die Spaltung auf ein neues Level getrieben. So stehen auf der einen Seite wieder die bedingungslos Gehorsamen und Solidarischen, während „die anderen“ als „Putintrolle“ verunglimpft werden. Diese Abwertung ermöglicht es jedem, einen Diskurs von vornherein abzulehnen.
Oft genug keine Sympathie mit Russland, sondern vor allem der Wunsch sich aus bewaffneten Konflikten heraushalten zu wollen, der die Menschen antreibt. Hinzu kommt das Wissen, dass dieser Konflikt bereits seit Jahren als Schwelbrand vor sich hindämmerte, bevor sich das Feuer entzündete. Sollte man sich dort wirklich einmischen?
Leider fehlt es der aktuellen Regierung an dem notwendigen Fingerspitzengefühl für einen angemessenen Umgang mit schwierigen Situationen, ob nun innenpolitisch oder außenpolitisch. Die jüngsten Zusicherungen für Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien sind ein völlig falsches Signal, dass die Verzweiflung einer Regierung, die sich verrannt hat, offenlegt. Obwohl der Bundestag bereits seit Jahren immer wieder Rüstungsexporte dorthin genehmigt und lokale Konflikte wie den im Jemen damit befeuert, geht es dieses Mal natürlich auch um Ressourcen – um Gas.
Die selbst verschuldete Energiekrise ist offenbar völlig aus dem Ruder gelaufen. Verzweifelte Menschen sind unberechenbar und daran wird wohl auch kein Leitmedium etwas ändern können. Mit den sogenannten Entlastungspaketen, hat man der Bevölkerung ein paar Almosen angeboten, von den Steuern, die sie selbst bezahlt haben. Doch dieser Beschwichtigungsversuch wird wohl kaum ausreichen. Jetzt wird eine „Gaspreisbremse“ beschlossen, die die Auswirkungen abfedern soll. Den Gaspreis zu bremsen vermag, sie schon deshalb nicht, weil es nach dem Anschlag auf die Nordstream-Pipelines an Alternativen mangelt und eine zusätzliche Verknappung von Gas eintreten wird. Trotzdem bürdet man den nächsten Generationen 200 Mrd. Schulden auf, anstatt die Pipelines zu reparieren und eine diplomatische Lösung mit Russland zu suchen.
Obwohl der Anschlag auf Nordstream 1 und 2 von den Medien aufgegriffen wurde, verhält sich die Politik in dieser Angelegenheit überraschend kleinlaut. Nur zu gerne möchte man die Sabotage Russland in die Schuhe schieben.
Um einen derartigen Anschlag auf die europäische Energieversorgung auszuführen, bedarf es zumindest einer hochentwickelten Ausrüstung. Klimaaktivisten scheiden deshalb wohl aus. Falls Russland sich nicht selbst seines politischen Handlungsspielraumes beraubt hat, müsste man sich fragen, wer außerdem an der Zerstörung der Pipelines interessiert sein könnte.
Auf keinen Fall darf wohl die USA ins Spiel gebracht werden, denn wie sollte man sonst wohl den Kauf teuren Fracking-Gases rechtfertigen. Jeder, der also in Zukunft andeuten wird, die Vereinigten Staaten seien involviert gewesen, wird wieder mit den Stempel des antiamerikanischen Verschwörungstheoretikers gekennzeichnet werden.
Auch bei diesem Thema werden die Meinungen wieder auseinandergehen. Sicher gibt es bei einigen der angesprochenen Punkte gewisse Schnittmengen und doch scheint es, als sei jede politische Angelegenheit mittlerweile geeignet einen Keil zwischen die Menschen in diesem Land zu treiben. Denn schließlich sind da noch die vielen kleinen Nebenschauplätze, mit der die Regierung das Land in viele kleine Gruppen zu unterteilen sucht. Da ist das Gendern der deutschen Sprache, dass beinahe jeden Artikel zu einer Tortur für den Leser macht oder der Hype um LGBTQ-Themen, der sogar Betroffenen oft eher peinlich ist. Da ist das Tempolimit auf deutschen Autobahnen oder die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke.
33 Jahre nach dem Fall der Mauer haben 32 Jahre deutsche Einheit kaum dazu beigetragen, das Land zusammenwachsen zu lassen. Die inzwischen geradezu infantilen Erklärungen und Bezeichnungen mit der uns die Regierung zum Gehorsam ruft – befeuert von den Leitmedien – haben mehr Gräben geschaffen, als 40 Jahre innerdeutsche Grenze.
Unsere Aufgabe ist es, die Mauern zwischen uns niederzureißen, die Grenzen zwischen uns zu überwinden und das was uns trennt außen vor zu lassen. Niemand muss seine Meinung von Grund auf ändern oder seine Überzeugungen aufgeben. Es würde bereits genügen, wenn wir uns wieder bewusst werden, dass es ein Zeichen einer gesunden Demokratie ist, wenn unterschiedliche Meinungen diskutiert werden und in die Politik mit einfließen. Denn wer sagt, dass wir eine Einheit bilden müssen, damit die Interessen der Bevölkerung wieder in der Politik berücksichtigt werden? Das wichtigste ist doch, dass jeder Gehör findet und als ein wichtiger Teil der Gesellschaft anerkannt wird und seine Bedürfnisse Berücksichtigung finden. Doch das können wir nur zusammen erreichen.